Dr. ANDREAS M. SCHÖNHÖFT

FACHANWALT FÜR ARBEITSRECHT

ausgewählten Fragen des Arbeitsrechts

Ausgewählten Fragen des Arbeitsrechts

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot – Praktische Hinweise zur Karenzentschädigung

Von Rechtsanwalt Dr. Andreas Schönhöft, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Steuerrecht

Grundsätze
Grundsätzlich gilt während des Arbeitsverhältnisses und auch während eines Dienstverhältnisses z.B. als Geschäftsführer/in ein vertragliches Wettbewerbsverbot nach §§ 60, 61 HGB bzw. § 241 Abs. 2 BGB. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt eine solche gesetzliche Pflicht grundsätzlich nicht. Zum Schutz des Unternehmens können Arbeitgeber aber nachvertragliche Werbeverbote mit Arbeitnehmer und Dienstnehmern vereinbaren. In der Praxis kommt dies regelmäßig nur bei Führungskräften oder sonstigen Wissensträgern (z.B. Sales, Entwicklung) vor, die über besondere Kenntnisse, Fähigkeiten, Erfahrung oder wertvolles Know-how verfügen. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind nur in engen rechtlichen Grenzen zulässig. Auch gibt es hinsichtlich der rechtlichen Anforderungen Unterschiede zwischen Arbeitnehmern und Dienstnehmer, wie Geschäftsführern und anderen gesetzlichen Organen. Für letztere gelten die §§ 74 ff. HGB nicht direkt. Allerdings werden häufig die Wertung herangezogen. Inwieweit die Anwendung der Regelungen in §§ 74 ff. HGB vertraglich z.B. mit einem Geschäftsführer vereinbart werden können, ist teilweise umstritten. Unterschiedliche Auswirkungen bestehen vor allem bei den möglichen Rechtsfolgen eines wirksamen oder unwirksamen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Während es bei Arbeitnehmern nicht selten zu einer Teilwirksamkeit und geltungserhaltenden Reduktion des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots kommen kann, wird man dies bei z.B. bei Geschäftsführern ablehnen müssen. Das nachträgliche Wettbewerbsverbot bei sog. Geschäftsleiter ist entweder wirksam oder nichtig.

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit Arbeitnehmern

Bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot mit Arbeitnehmern ist nach § 74 Abs. 1 HGB nur wirksam, wenn es schriftlich vereinbart wurde und dieses Schriftstück auch dem Arbeitnehmer ausgehändigt wurde. Gerade Letzteres wird in der Praxis häufig übersehen. Ob die elektronische Form ausreichend ist, ist rechtlich noch nicht geklärt, so dass weiterhin die Schriftform zu empfehlen ist. Dass die Aushändigung des Schriftstücks an den Arbeitnehmer erfolgt ist, muss der Arbeitgeber beweisen. Der Nachweis über eine Quittierung des Erhalts des Schriftstücks mit einer arbeitsvertraglichen Klausel wird regelmäßig nach § 309 Nr. 12b BGB ausscheiden. Werden die Formvorschriften nicht eingehalten, ist das Wettbewerbsverbot nichtig oder zumindestens unverbindlich für den Arbeitnehmer. Für eine Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbot mit einem Geschäftsführer oder anderen Organen gelten diese strengen Anforderungen nicht. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist zudem nur wirksam, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse daran hat und das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unbillig erschwert wird (§ 74a Abs. 1 HGB). Dies ist nur anzunehmen, wenn es der Sicherung von Geschäftsgeheimnissen des Unternehmens dient. Die Schwächung eines Konkurrenten, die Erschwerung des Arbeitsplatzwechsels oder die Sicherung der Ausbildungskosten, reichen als berechtigtes Interesse nicht. Geht das nachvertragliches Wettbewerbsverbot darüber hinaus, ist es für den Arbeitnehmer unverbindlich und muss nicht beachtet werden. Es bleibt aber wirksam, soweit es von einem berechtigten Interesse gedeckt ist. Soweit das nachvertragliches Wettbewerbsverbot zum Beispiel räumlich zu weitgehend ist (beispielsweise sich auf nicht relevante Länder erstreckt) oder zum Beispiel zu weitgehende Dienstleistungen mitumfasst, bleibt es für den Arbeitnehmer für den zu weitgehenden Teil unverbindlich. Für den berechtigten Teil (z.B. das relevante Land oder die relevante Dienstleistung) aber wirksam. Das Wettbewerbsverbot bleibt also im Übrigen wirksam. Hier findet nach der Rechtsprechung eine sogenannte geltungserhaltenden Reduktion statt. Das gesamte Wettbewerbsverbot wird damit nicht unwirksam, sondern nur für den überschießenden Teil unverbindlich. Für Arbeitnehmer ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot maximal für die Dauer von zwei Jahren möglich. Soweit es zeitlich darüber hinaus geht, ist es unverbindlich. Nach der Rechtsprechung ist regelmäßig eine minimale Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots von unter sechs Monaten ebenfalls unzulässig. Insoweit wird angenommen, dass es an einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers fehlt. Gibt es kein berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers an deren nachvertraglichen Wettbewerbsverbot ist es unverbindlich für den Arbeitnehmer. Er hat allerdings ein Wahlrecht das Wettbewerbsverbot einzuhalten und die volle Karenzentschädigung zu erhalten. Ist das berechtigte geschäftliche Interesse des Arbeitgebers nur teilweise vorhanden bzw. erschwert es den Arbeitnehmer unbillig in seinem beruflichen Fortkommen, muss der Arbeitnehmer diesen überschießenden Teil nicht beachten. Der Arbeitnehmer hat allerdings trotzdem Anspruch auf die volle Karenzentschädigung. Für den Fall, dass der Arbeitgeber die maximal zulässige Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots überschreitet, hat der Arbeitnehmer ein Wahlrecht, ob er diesen Zeitraum einhält und auch über diesen weiteren Zeitraum hinaus dann die volle Karenzentschädigung erhält.

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist generell unwirksam, wenn nach § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung gezahlt wird. Für jedes Jahr das Verbot muss mindestens die Hälfte, der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertraglichen Leistung gezahlt werden. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung ist nichtig. Eine zu niedrige Karenzentschädigung ist unverbindlich, d.h. der Arbeitnehmer hat ein Wahlrecht, ob er die Karenzentschädigung nimmt und das Wettbewerbsverbot einhält oder nicht. Bei der Karenzentschädigung ist zu beachten, dass diese alle Vergütungsbestandteile mit einbeziehen muss, die als Gegenleistung zur geschuldeten Arbeitszeit anzusehen sind. Nach der Rechtsprechung des BAG fallen aber beispielsweise Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, wenn sie durch eine Muttergesellschaft gewährt wurden, nicht hierunter. Die Entschädigung ist am Schluss eines Monats zu zahlen und nicht sozialversicherungspflichtig. Regelmäßig wird sie auch nicht lohnsteuerpflichtig sein (siehe dazu unten).

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit Geschäftsführern und anderen Organen

Bei Geschäftsführern und anderen Organmitgliedern ist der Prüfungsmaßstab regelmäßig nicht so streng. Nach der Rechtsprechung werden im Geschäftsverkehr Geschäftsführer und andere Organe stärker als normale Angestellte mit dem Arbeitgeber gleichgesetzt. Der BGH (23.4.2024 – II ZR 99/22) wendet die §§ 74 ff. HGB auf sie nicht unmittelbar an, sondern misst die Wirksamkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote an § 138 BGB und lässt in die Prüfung der Sittenwidrigkeit die Wertungen der §§ 74 ff. HGB in gewissem Umfang einfließen. D.h. regelmäßig bedarf es auch ein berechtigtes Interesse und einer Beschränkung des Wettbewerbsverbots, so dass die wirtschaftliche Betätigung des Organmitglieds nicht unbillig erschwert wird. Der Prüfungsmaßstab bei Verträgen mit Geschäftsführern und Organen ist aber regelmäßig über § 138 BGB in Verbindung mit Art. 2 und Art. 12 GG nicht so streng, wie bei Arbeitnehmern. Beim Verstoß liegt regelmäßig Nichtigkeit der gesamten Vereinbarung und des ganzen Rechtsgeschäfts vor. So ist z.B. das Verbot jeglicher Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen regelmäßig nichtig, wenn untergeordnete Tätigkeiten (wie zum Beispiel Hausmeistertätigkeiten), ebenso wie eine reine Kapitalbeteiligung nicht herausgenommen wurden. Gleiches gilt für Globalverbote. Für Geschäftsführer und Organe gibt es rechtlich keine Verpflichtung einer Karenzentschädigung bzw. einer Mindestentschädigung in Höhe von 50 % wie bei Arbeitnehmern. Wird dennoch eine Entschädigung versprochen, kann ihre Höhe frei vereinbart werden. Auch eine automatische Anrechnung eines anderweitigen Erwerbs ist bei Geschäftsführern und Organen nicht automatisch anzunehmen. Dies muss ausdrücklich in einer Klausel vereinbart werden. Auch die Möglichkeit des Verzichts des Arbeitgebers auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nach § 74 a HGB gilt nicht direkt für Geschäftsführer und andere Organe. Regelmäßig wird dies allerdings entsprechend angewandt.

Ob eine nachvertragliches Wettbewerbsverbot für ein Unternehmen sinnvoll ist, hängt von vielen Faktoren ab. Alternativen sind Regelungen zum Schutz von konkreten Geschäftsgeheimnissen oder die Vereinbarung von längeren Kündigungsfristen mit dem Arbeitnehmer oder Geschäftsleitern. Die Vereinbarung eines nachvertragliches Wettbewerbsverbot macht regelmäßig auch erst für ein Unternehmen Sinn, wenn der Arbeitnehmer oder Geschäftsleitern eine gewisse Zeit für das Unternehmen gearbeitet haben. Insoweit bietet sich für Arbeitgeber an, vertraglich zu vereinbaren, das während der Probezeit oder einer gewissen Dauer der Beschäftigung das Wettbewerbsverbot noch nicht greift. Gleiches gilt möglicherweise ein Wettbewerb z.B. auf Grund eines Rentenzugangs nicht mehr zu erwarten ist. Steht von vorneherein fest, dass kein Interesse daran besteht, dem Arbeitnehmer auch nach Eintritt in den Ruhestand eine Konkurrenztätigkeit zu untersagen, kann das nachvertragliche Wettbewerbsverbot unter der auflösenden Bedingung abgeschlossen werden, dass mit dem Eintritt in den Ruhestand das Wettbewerbsverbot sein Ende findet.

Praktische Hinweise beim Bezug von Karenzentschädigungen – Steuer- und Sozialversicherungspflicht

Berechnung der Karenzentschädigung
Eine Karenzentschädigung wird im Rahmen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbot gezahlt, wenn das Arbeitsverhältnis beendet und der Arbeitnehmer nicht sofort wieder bei einem anderen Arbeitgeber aufgrund eines vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbotes tätig werden darf. Für die Zeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots sind Arbeitgeber gemäß § 74 Abs. 2 HGB verpflichtet, ihren ehemaligen Arbeitnehmern mindestens 50 Prozent der zuletzt gezahlten Vergütung als Entschädigung zu zahlen. Eine prozentual höhere Entschädigung kann arbeitsvertraglich vereinbart bzw. vom Arbeitgeber gewährt werden. Für die richtige Berechnung der Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB werden alle Bestandteile des bezogenen Einkommens miteingerechnet, die der Arbeitnehmer tatsächlich erhalten hat und auf die vertraglich ein Anspruch bestand. Für Geschäftsführer und Organe gibt es rechtlich keine Verpflichtung einer Karenzentschädigung bzw. einer Mindestentschädigung in Höhe von 50 % wie bei Arbeitnehmern. Wird dennoch eine Entschädigung versprochen, kann ihre Höhe frei vereinbart werden. Der BGH hält sogar eine Vereinbarung, die einen rückwirkenden Wegfall einer versprochenen Karenzentschädigung vorsieht, sofern der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot verstößt, für wirksam (BGH vom 23.4.2024 – II ZR 99/22). Allerdings wird eine entschädigungslose Karenzzeit nur in Ausnahmefällen rechtswirksam möglich sein, da insoweit die Wechselwirkung mit der Zulässigkeit der Reichweite des Wettbewerbsverbots besteht.

In der Praxis ist zudem nicht immer klar, wie die Auszahlung der Karenzentschädigung vom ehemaligen Arbeitgeber zu erfolgt und wie der versicherungsrechtliche Status des Karenzgeldempfängers während des Karenzzeitraum ist.

Sozialversicherungsrechtliche und steuerrechtliche Betrachtung der Karenzentschädigung
Karenzentschädigungen, die nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt werden, sind kein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt iSd § 14 SGB IV. Die Karenzentschädigung ist eine Entschädigung, die der Arbeitgeber nicht für das Arbeitsverhältnis, sondern nach Beendigung der Beschäftigung für die Dauer eines vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots zu entrichten hat. Die Karenzentschädigung ist daher unabhängig davon, ob sie monatlich oder als Einmalbetrag gezahlt wird, von dem ehemaligen Arbeitgeber sozialversicherungsfrei auszuzahlen.

Die Karenzentschädigung ist steuerrechtlich wie sog. „sonstiges Arbeitseinkommen“ zu behandeln. Dies gilt unabhängig davon, ob sie monatlich oder als Einmalbetrag bezahlt wird. Karenzentschädigungen können auch dann, wenn sie als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG zu qualifizieren sind, als Entschädigung nach § 24 Nr. 1b EStG behandelt werden (BFH 12.6.1996 – XI R 43/94, BStBl. II S. 516). Diese hat den Vorteil, dass die steuerliche Tarifermäßigung, die sog. Fünftelregelung greift und die Karenzentschädigung ermäßigt, besteuert werden kann. Die Anwendung des § 34 EStG verlangt aber regelmäßig, dass die Entschädigung für die Nichtausübung der Tätigkeit in einem Betrag gezahlt wird und dadurch ein Progressionsnachteil entsteht (BFH 16.3.1993 – XI R 10/92, BStBl. II S. 497). Bei einer monatlichen Zahlung kann die sog. Fünftelregelung nicht angewendet werden. Die Zahlung einer Karenzentschädigung wird regelmäßig nur mit Arbeitnehmern vereinbart, die über Einkünften oberhalb des Steuerhöchstsatzes verfügen, so dass sich die sog. Fünftelregelungen in der Praxis nur im geringen Umfang steuerermäßigend auswirkt. Anders als nach früherer Rechtsprechung wird für die steuerlichen Tarifermäßigung aber nicht mehr zwischen einem eingeschränkten oder umfassenden Wettbewerbsverbot unterschieden.

Von der Karenzentschädigung nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist kein Lohnsteuerabzug durch den ehemaligen Arbeitgeber vorzunehmen. Eine entsprechende Einkommensversteuerung muss daher durch den Karenzentschädigungsempfänger im Rahmen der jährlichen Einkommensteuererklärung selbst vorgenommen werden. Insoweit ist dem Karenzentschädigungsempfänger zu empfehlen, über Vorauszahlung auf die Einkommensteuer nachzudenken. Bei einer gleichzeitigen Zahlung einer Abfindung durch den Arbeitgeber für den Verlust des Arbeitsverhältnisses ist zu beachten, dass beiden Tatbestände unterschiedliche Sachverhalte regeln und unterschiedlichen steuerlichen Voraussetzungen unterliegen.

Während des Bezugs der Karenzentschädigung besteht kein gesetzliches Versicherungsverhältnis in den Sozialversicherungen. Es besteht während des Bezugs der Karenzentschädigung sozialversicherungsrechtlich kein Arbeitsverhältnis mehr. Mangels Arbeitgeber erfolgen auch keine Einzahlungen in die Sozialversicherungen. Soweit neben der Karenzentschädigung keine weiteren Einnahmen über eine versicherungspflichtige Beschäftigung erzielt werden (z.B. durch ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber), muss sich der Karenzentschädigungsempfänger daher selbst (freiwillig) versichern. Entsprechend muss der Karenzentschädigungsempfänger auch den vollen Beitragssatz (z.B. in die Krankenversicherung) leisten. Da er kein Arbeitnehmer (mehr) ist, gibt es keine Beitragszuschuss des Arbeitgebers.

Auch kann der Karenzentschädigungsempfänger auf Grund der Höhe der Karenzentschädigung regelmäßig kein Bürgergeld beziehen. Für das Bürgergeld ist die Karenzentschädigung nach § 11 SGB II ein zu berücksichtigendes Einkommen, da es nicht unter die Ausnahmen § 11a SGB II fällt. Dementsprechend besteht auch keine automatische Versicherung in den Sozialversicherungen, wie der Krankenversicherung und Pflegeversicherung, die über den Bezug von Bürgergeld bestehen würde. Bei der Krankenversicherung besteht die Besonderheit, dass eine gesetzliche Pflicht zur Krankenversicherung besteht. Auch ohne Bezug von Bürgergeld muss sich der Karenzentschädigungsempfänger daher um eine Krankenversicherung bemühen. Grundsätzlich ist er daher dazu verpflichtet, sich freiwillig gesetzlich krankenversichern zu lassen. Für die Berechnung der Beitragshöhe in der Krankenversicherung gilt der Karenzentschädigungsempfänger als nicht erwerbstätige Person, die von ihren Ersparnissen und sonstigen Einkünften lebt. Hierbei ist die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Deshalb wird für die konkrete Beitragshöhe die Karenzentschädigung neben weiteren Vermögenswerten und Einkünften herangezogen. Relevant sind hierbei neben der Karenzentschädigung auch Vermögenswerte, wie Immobilien, Mieteinnahmen, Aktiengewinne etc.. Abfindungen, Entschädigungen oder ähnliche Leistungen, die wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, gehören ebenfalls in vollem Umfang zu den beitragspflichtigen Einnahmen (§ 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27. Oktober 2008, zuletzt geändert am 20. März 2024). Die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung sind vom Karenzentschädigungsempfänger bis zu maximalen Beitragsbemessungsgrenzen (Höchstsatz) allein zu entrichten. War der Karenzentschädigungsempfänger vorher privat krankenversichert, bleibt er privatversichert. Ein Wechsel in die gesetzliche Krankenkasse ist dann nicht (mehr) möglich. Die Beitragshöhe richtet sich nach dem bisherigen Beitragssatz.

Für die Rentenversicherung kann der Karenzentschädigungsempfänger sich freiwillig versichern, indem er freiwillig in die Rentenversicherung einzahlt. Dies ist unproblematisch auf Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) möglich, soweit nicht durch eine anderweitige Beschäftigung bereits Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung bezahlt werden. Auch die Höhe der freiwilligen Beiträge kann im Rahmen der Mindest- und Höchstbeträge selbst festgelegt und jederzeit verändert werden. Die Zahlung freiwilliger Beiträge erhöht nicht nur den Rentenanspruch, sondern kann auch zur Erfüllung von Versicherungszeiten für einen Rentenanspruch sinnvoll sein.

Eine freiwillige Versicherung während der Karenzzeit in der Arbeitslosenversicherung ist nicht ohne Weiteres und nur in engen Voraussetzungen möglich. Dies setzt z.B. voraus, dass während der Karenzzeit eine Selbstständigkeit im Umfang von min. 15 Wochenstunden ausgeübt wird, in Elternzeit ein Kind betreut wird, dass älter als drei Jahre ist oder eine Weiterbildung zum Zwecke des beruflichen Fortkommens absolviert wird. Regelmäßig aber bleibt der Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Karenzentschädigungsempfänger während der Karenzzeit bestehen, so dass eine freiwillige Versicherung in der Arbeitslosengeldversicherung nicht zwingend erforderlich ist. Die Anwartschaftszeit für den Bezug von Arbeitslosengeld ist in der Regel so lange erfüllt, wie der Karenzentschädigungsempfänger innerhalb der letzten 30 Monate vor der Arbeitslosmeldung mindestens 360 Kalendertage versicherungspflichtig beschäftigt war. In vielen Fällen kann daher die Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldanspruchs auf den Zeitraum nach der Karenzzeit aufschieben und sich erst danach arbeitslos melden. Unbedingt ist aber darauf zu achten, dass die Anwartschaftszeit von 360 Kalendertage innerhalb der letzten 30 Monaten noch erfüllt wird. D.h. bei einer Karenzentschädigung, die länger als 18 Monate gezahlt wird, muss bereits vor Ende des Bezugs der Karenzentschädigung Arbeitslosengeld beantragt werden.

Bezug von Arbeitslosengeld während der Karenzzeit
Karenzentschädigungsempfänger können sich trotz bzw. während des Erhalts der Karenzentschädigung arbeitslos melden und Arbeitslosengeld beziehen. Wenn der Karenzentschädigungsempfänger gleichzeitig Arbeitslosengeld bezieht, bleibt er über die Bundesagentur für Arbeit weiter sozialversicherungsrechtlich eingebunden. Insoweit kann es allein aus diesen sozialversicherungsrechtlichen Gründen Sinn machen, sich während der Karenzzeit arbeitslos zu melden. Zwar setzt der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 138 SGB III neben der Arbeitslosigkeit auch die Verfügbarkeit voraus. Der Verfügbarkeit steht aber nicht entgegen, dass der Karenzentschädigungsempfänger im Rahmen des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots für eine gewisse Dauer eine Tätigkeit in bestimmten Branchen nicht aufnehmen kann. Denn während der Dauer des Wettbewerbsverbots braucht der Arbeitslose, wenn er Arbeitslosengeld beziehen will, lediglich bereit zu sein, solche Beschäftigungen anzunehmen, die er trotz seiner Verpflichtungen aus der Wettbewerbsabrede ausüben darf (§ 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III). Diese sog. „subjektive Verfügbarkeit” ist auch bei Arbeitslosen gegeben, die einem Wettbewerbsverbot unterliegen (BSG 09.02.1995 – 7 RAr 76/94, EzA § 100 AFG Nr. 1). Das bedeutet, dass der Karenzentschädigungsempfänger bereit sein muss, solche Beschäftigungen anzunehmen, die er trotz seiner Wettbewerbsabrede ausüben darf.

Wie lange Arbeitslosengeld bezogen werden kann, hängt davon ab, wie alt der Karenzentschädigungsempfänger ist und wie lange vorher eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bestand. Personen jünger als 50 Jahre, können höchstens für die Dauer von 12 Monaten Arbeitslosengeld erhalten, vorausgesetzt, sie waren zuvor 24 Monate oder länger versicherungspflichtig. Bei Personen über 50 Jahren steigt die Anspruchsdauer in mehreren Schritten auf bis zu 24 Monate an. Diese höchste Anspruchsdauer gilt für Arbeitslose, die 58 Jahre oder älter sind.

Für die Berechnung der Karenzentschädigung wird das Arbeitslosengeld nach umstrittener Meinung zwar als anderweitiger Verdienst angesehen und wäre damit theoretisch in die Berechnung der Anrechnung nach § 74c Abs. 1 HGB mit aufzunehmen. Allerdings erfolgt eine Anrechnung nur, wenn durch die Addition von Arbeitslosengeld und Karenzentschädigung mehr als 110% bzw. bei einem Umzug an einen anderen Ort mehr als 125% des früheren Einkommens erreicht wird. Das BAG (14.09.2011 – 10 AZR 198/10, NZA-RR 2012, 98) hat die Frage, ob Arbeitslosengeld überhaupt als anderweitiger Verdienst im Sinne des HGB anzusehen ist, offengelassen, aber klargestellt, dass nur der ausbezahlte Netto-Betrag des Arbeitslosengeldes für die Anrechnung die Berechnungsgrundlage sein kann. Ein Hochrechnen des Arbeitslosengeldes in ein fiktives Bruttoeinkommen ist nicht zulässig. Praktisch ist damit eine Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung im Normalfall nicht möglich bzw. findet nicht statt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Arbeitslosengeld in der Arbeitslosenversicherung gedeckelt ist und der Höchstbetrag aktuell deutlich unter 3.000,00 Euro monatlich liegt. Soweit die Karenzentschädigung nicht deutlich über 50% der ursprünglichen Vergütung liegt, können rechnerisch die notwendigen Anrechnungsschwellen durch den maximalen Arbeitslosengeldbezug regelmäßig nicht erreicht werden. Durch die Arbeitslosmeldung und Beantragung des Arbeitslosengeldes während der Karenzeit ergeben sich daher in zweifacher Hinsicht Vorteile: Der Karenzentschädigungs-empfänger bleibt weiterhin vollständig sozialversicherungsrechtlich angebunden und erhält neben der Karenzentschädigung zusätzlich Arbeitslosgengeld.

Umgekehrt findet auch keine Anrechnung der Karenzentschädigung auf das Arbeitslosengeld statt, da es sich hierbei nicht um Entgelt für eine Tätigkeit handelt. Gemäß § 155 SGB III können anderweitige Einkünfte nur dann auf das Arbeitslosengeld angerechnet werden, wenn diese Einkünfte aus einer „Beschäftigung” stammen. Diese Vorschrift greift beim einem nachverträglichen Wettbewerbsverbot nicht, da die Karenzentschädigung die Gegenleistung für ein Unterlassen ist, und das Entgelt für die Nichtausübung einer Tätigkeit gewährt wird (BAG 25.6.1985- 3 AZR 305/83, NJW 1986, 275 zur Vorgängerregelung § 115 AFG). Auch anderweitiges Vermögen muss sich der Karenzentscheidungsempfänger nicht auf das Arbeitslosengeld anrechnen lassen.

Auch ein Ruhen des Arbeitslosengeldes nach § 158 SGB III wird nur in selten Ausnahmefall denkbar sein. Dies kann der Fall sein, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wurde und der Arbeitslose eine „Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung)” erhalten hat. Eine Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB ist grundsätzlich aber keine „Entlassungsentschädigung” iSd § 158 SGB III, da nicht die Entlassung kompensiert, sondern eine Gegenleistung für die Wettbewerbsenthaltsamkeit gezahlt wird.

Während des Bezugs von Arbeitslosengeld, ist der Karenzentschädigungsempfänger grundsätzlich versicherungspflichtig in der Kranken- und Pflegeversicherung. Die Beiträge in dieser Zeit übernimmt die Agentur für Arbeit. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung übernimmt die Agentur für Arbeit auch dann, wenn am Anfang der Arbeitslosigkeit wegen einer Sperrzeit kein Arbeitslosengeld bezogen wird. Ebenso ist der Karenzentschädigungsempfänger rentenversichert während des Bezugszeitraums. War der Karenzentschädigungs-empfänger während seines Beschäftigungsverhältnisses privat krankenversichert, wechselt er während des Bezugs von Arbeitslosengeld grds. in die gesetzliche Krankenversicherung. Allerdings besteht die Möglichkeit sich von der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung befreien zu lassen. Hierzu muss vor Beginn der Arbeitslosigkeit die Versicherung bei der privaten Krankenversicherung für wenigstens 5 Jahre bestehen und innerhalb von drei Monaten ein Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht gestellt werden. Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt dann die Beiträge für Ihre private Krankenversicherung, höchstens aber bis zu der Höhe, die in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen wären. Personen ab dem 55. Lebensjahr bleiben auch bei Arbeitslosigkeit in ihrer bestehenden privaten Krankenversicherung versichert und haben keine Möglichkeit in die gesetzliche Krankenversicherung zurückzukehren, wenn sie wenigstens seit 5 Jahren vor Beginn der Arbeitslosigkeit privat versichert gewesen sind.

Schließt sich an einen etwaigen Bezug von Arbeitslosengeld keine neue Beschäftigung an, weil das nachvertragliche Wettbewerbsverbot eine längere Laufzeit hat, als der Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, hat der Karenzentschädigungsempfänger keinen Anspruch auf den Bezug von Bürgergeld (siehe oben). Für das Bürgergeld ist die Karenzentschädigung nach § 11 SGB II zu berücksichtigende Einkommen. Grundsätzlich ist der Karenzentschädigungsempfänger daher dazu verpflichtet, sich freiwillig gesetzlich krankenversichern zu lassen. Für die Berechnung der Beitragshöhe in der Krankenversicherung gilt der Karenzentschädigungsempfänger als nicht erwerbstätige Person, die von ihren Ersparnissen und sonstigen Einkünften lebt (siehe oben).

Kein Hinzuverdienst bei (vorgezogener) Altersrente

Bei den vorgezogenen Altersrenten gibt es seit 1. Januar 2023 generell keine Hinzuverdienstgrenzen mehr. Unabhängig von der bereits vor der Gesetzesänderung umstrittenen Frage, ob dem Grunde nach eine Karenzentschädigung bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot auf Altersrenten anrechenbar ist, steht nunmehr fest, dass auch Karenzentschädigungen auf Altersrenten nicht anrechenbar sind. Bei Renten wegen Erwerbsminderung ist dies nach wie vor offen. Auf der anderen Seite sind für den Karenzentschädigungsempfänger die gesetzliche Rente und die Betriebsrente nicht als anderweitiger Erwerb nach § 74c HGB auf die Karenzentschädigung anzurechnen. Denn diese Renten werden nicht für den Zeitraum erworben, in dem die Karenzentschädigung zu zahlen ist und beruhen nicht auf der Verwertung der Arbeitskraft. Eine Anrechnung der Betriebsrente auf die Karenzentschädigung kann aber vereinbart werden, bedarf dann aber einer ausdrücklichen Anrechnungsbestimmung in der Versorgungsordnung oder in der Versorgungszusage.

Nähere Informationen finden Sie auch in meiner Veröffentlichung: Schönhöft, ZAU 2024


Rechtliche Probleme mit Zielvereinbarungen und ähnlichen flexiblen Entgeltbestandteilen

Zielvereinbarungen, Zielvorgaben, Leistungsabhängige Vergütung, Bonusvereinbarungen und andere flexiblen Entgeltbestandteile von Arbeitsentgelt sind aus der heutigen Arbeitswelt kaum wegzudenken. Zielvereinbarungen finden sich in einer Vielzahl von Anstellungsverhältnissen, die sich nicht mehr nur auf die Führungsebene eines Unternehmens beschränken. Zielvereinbarung sind regelmäßig während des laufenden Arbeitsverhältnisses nicht Gegenstand von Auseinandersetzungen, sondern stehen erst zum Zeitpunkt des Ausscheidens eines Arbeitnehmers aus dem Unternehmen im Streit. Streitpunkte sind neben der Frage der Zielerfüllung aber auch die Frage, ob Ziele realistisch zu erreichen waren.

Hier stellen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelmäßig dieselbe Frage: Besteht ein Anspruch auf die vereinbarte variable Vergütung und wenn ja in welcher Höhe?

Bei dieser Frage spielt regelmäßig eine Rolle, dass im Laufe des Arbeitslebens nicht selten, der vereinbarte Zielvereinbarungsprozess nicht eingehalten oder sogar von der Vereinbarung von Zielen ganz abgesehen wird. Anders als arbeitsvertraglich vereinbart, gerät der Abschluss von Zielvereinbarungen dann in Vergessenheit. Die notwendigen Gespräche hierzu werden weder durch den Arbeitgeber noch durch den Arbeitnehmer initiiert. Hier ist zu beachten das nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Arbeitgeber bei unterbliebener Zielvereinbarung zu mindestens dann, wenn ihn ein Verschulden trifft, nach §§ 280ff BGB mit Schadensersatz für den entgangenen Gewinn in Höhe der maximalen Zielerreichung rechnen. Anders ausgedrückt, dem Arbeitnehmer steht, obwohl keinerlei Ziele vereinbart wurden, in diesen Fällen möglicherweise der maximal erreichbare Bonus zu. Während der rechtsdokmatische Streit über die Herleitung dieses Anspruches (§ 315 BGB, § 315 Abs. 3 BGB, Treu und Glauben, ergänzende Vertragsauslegung oder § 162 Abs. 1 BGB, § 162 BGB analog) durch das BAG zugunsten eines Schadensersatzanspruches auf Grund der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht entschieden wurde, bestand weitestgehend immer schon Einigkeit, dass zugunsten des Arbeitnehmers bei einer Abrede widrig durch den Arbeitgeber nicht getroffenen Zielvereinbarung, von einer Zielerfüllung in Höhe von 100% bzw. in Höhe des maximal erreichbaren Wertes (dieser kann also auch höher als 100% sein), ausgegangen werden kann. Für diesen Anspruch verringernden besonderen Umstände ist der Arbeitgeber beweisbelastet. Sofern der Arbeitgeber Verhandlungen über Zielvereinbarungen über eine Zielperiode nicht aufnimmt, verhindert bzw. blockiert und dadurch keine Zielvereinbarung getroffen wurde, verliert der Arbeitnehmer seine Ansprüche nicht.

Regelmäßig stellt sich daher nicht die Frage, ob der Arbeitgeber Schadensersatz zu zahlen hat, sondern ob ein den Schadensersatz reduzierendes Mitverschuldens des Arbeitnehmers vorliegt. Letztlich geht es um die Frage inwieweit dem Arbeitnehmer der fehlende Abschluss der Zielvereinbarung vorzuwerfen ist. Eine entscheidende Frage ist in diesem Zusammenhang, wer die Initiative zum Abschluss einer Zielvereinbarung hat (siehe hierzu Schönhöft, Zur Frage der Initiativlast bei unterbliebenen Zielvereinbarungen, BB 2013, S. 1529). Anders als bei Zielvorgaben sind Zielvereinbarungen einvernehmlich zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer abzuschließen. Zielvorgaben sind einseitig vom Arbeitgeber festgelegte Unternehmensziele, so dass hier die Initiativpflicht klar beim Arbeitgeber liegt. Anders ist dies bei Zielvereinbarung. Hier kommt es zunächst bei der Frage der Initiativpflicht auf die vertragliche Vereinbarung an. Sofern aus den Absprachen oder der vertraglichen Regelungen nicht ausdrücklich und nachweisbar hervorgeht, wer von beiden Vertragsparteien die Initiative zur Führung eines Gespräches über die Zielvereinbarung trifft, trifft im Grundsatz die Initiativlast bei Zielvereinbarungen beide Vertragsparteien gleichermaßen. Allerdings werden die vertraglichen Rahmenvereinbarungen rund um die Zielvereinbarungen in der Regel in einem Formulararbeitsvertrag durch den Arbeitgeber vorgegeben. Bei solchen Formulararbeitsverträgen handelt es Musterverträge, der der Arbeitgeber standardmäßig für alle seine Arbeitsverhältnisse nutzt. In diesen Fällen verlangt die Rechtsprechung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen.

In Formulararbeitsverträgen ohne zweifelsfreie Zuordnung der Initiativpflicht wird daher regelmäßig von einer ausschließlichen Initiativpflicht des Arbeitgebers als Verwender der Vereinbarung auszugehen sein. Hier besteht also ein hohes Risiko für den Arbeitgeber.

Auch dann, wenn der Arbeitgeber nicht allein die Initiativpflicht hat, verletzt er eine vertragliche Nebenpflicht und ist deshalb zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet. In diesen Fall kann daher dennoch ein Anspruch auf mindestens 50% der maximalen Zielerreichung bestehen. Ist nichts zu der Frage der Initiativlast arbeitsvertraglich vereinbart oder auslegbar, trifft beide Vertragsparteien die Initiativlast gleichermaßen. Bei dieser Annahme würde man aber schon kein Mitverschulden in Höhe von 50% des Arbeitnehmers, sondern weniger annehmen müssen. Eine gemeinsame Initiativpflicht besteht nach dem BAG, soweit sie nicht arbeitsvertraglich ausdrücklich festgehalten bzw. sich mit Hilfe der Auslegung aus der vertraglichen Vereinbarung nicht zweifelsfrei entnehmen lässt, in Formulararbeitsverträgen regelmäßig nicht. Vielmehr ist in diesem Fall von einer ausschließlichen Initiativpflicht des Arbeitgebers auszugehen (BAG 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NZA 2008, 409, Ziffer 55). Etwas anderes kann gelten, wenn die der Zielvereinbarung zugrunde liegende Vereinbarung eine Betriebsvereinbarung ist.

Kommt eine Zielvereinbarung trotz Initiativpflicht einer der Parteien nicht zustande, stellt sich im Weiteren die Frage nach dem Mitverschulden des Arbeitnehmers. Nach dem BAG (BAG 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NZA 2008, 409) ist ein Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmer nicht ausgeschlossen, wenn das Nichtzustandekommen einer Zielvereinbarung auf Gründen, die sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer zu vertreten haben, beruht. Der Arbeitgeber ist nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB dann nicht schadensersatzpflichtig, wenn er nachweisen kann, dass er es nicht zu vertreten hat, dass Ziele nicht vereinbart werden konnten. Nicht ausreichend ist nach dem BAG, wenn der Arbeitgeber von Verhandlungen abgesehen hat, weil der Arbeitnehmer bisher in anderen Zielperioden die Ziele nicht erreicht hat. Gleiches gilt, wenn auf Grund eines unterjährigen Ausscheidens des Arbeitnehmers oder aus anderen Gründen der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses nach Einschätzung des Arbeitgebers vernünftige Ziele nicht vereinbart werden können. Insoweit besteht die Möglichkeit des Arbeitgebers auch für kürzere Zielperioden oder der persönlichen Situation des Arbeitnehmers angepasste Zielvereinbarungen zu schließen. Dies wird man vor allem in einem gekündigten Arbeitsverhältnis verlangen müssen. Der Arbeitgeber kann sich auch nicht darauf berufen, im Falle seines vertragsgemäßen Verhaltens hätte er dem Arbeitnehmer eine ähnliche Zielvereinbarung, wie beispielsweise anderen Arbeitnehmern, vorgelegt. Solange der Arbeitnehmer nicht nachweislich seine Ziele zu der vereinbarten Zielperiode kannte bzw. diese mit ihm vereinbart wurden, wird ein Schadensersatzanspruch im Raum stehen. Eine Formulierung von Zielen im Nachhinein ist nicht mehr möglich, da dies dem Motivationsgedanken und damit dem Sinn und Zweck einer solchen Vereinbarung nicht gerecht würde. Ein Mitverschulden des Arbeitnehmers wird auch dann nicht vorliegen, wenn er durch den Arbeitgeber freigestellt wurde, da der Arbeitgeber durch die Freistellung klar sein fehlendes Interesse an einer Zielvereinbarung bekundet und dem Arbeitnehmer darüber hinaus jede Möglichkeit der Zielerreichung nimmt.

Ziele, die innerhalb einer Zielvereinbarung vereinbart werden, müssen auch realistisch und durch den Arbeitnehmer erreichbar sein. Der Arbeitgeber muss den Nachweis für die Erreichbarkeit der Ziele erbringen müssen (BAG 12.05.2010 – 10 AZR 390/09). Auch hier besteht ein besonderes Risiko für den Arbeitgeber. Stellt sich heraus, dass die Ziele von Anfang an nicht erreichbar waren, besteht möglicherweise ein Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers in Höhe des maximal zu erreichbaren Zielwertes.

Auf Grund der vielfältigen rechtlichen Probleme mit Zielvereinbarungen, ist sowohl den Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern zu empfehlen, diese regelmäßig einer rechtlichen Kontrolle zu unterziehen. Gerade beim Ausscheiden von Arbeitnehmer sind Zielvereinbarungen regelmäßig Gegenstand von rechtlichen Auseinandersetzungen, die nicht selten zu Gunsten des Arbeitnehmers ausgehen.

Nähere Informationen finden Sie auch in meiner Veröffentlichung: Schönhöft, Zur Frage der Initiativlast bei unterbliebenen Zielvereinbarungen, BB 2013, S. 1529

Rückzahlungsvereinbarungen in Fortbildungsvereinbarungen

(Auszüge aus der Veröffentlichung Schönhöft, NZA-RR, 2009, 625)

Eine Fortbildungsvereinbarung ist gesetzlich nicht geregelt und daher durch die Parteien frei gestaltbar. Gefördert werden unterschiedlichste Fortbildungsmaßnahmen, die sich in Intensität und Wertigkeit stark unterscheiden. So werden sowohl kurze Fortbildungen, die nur wenige Tage dauern, als auch Qualifikationsmaßnahmen bis hin zu einem Fach- oder Hochschulstudium gefördert. Trägt der Arbeitgeber die Fort- bzw. Weiterbildungskosten ganz oder zumindest teilweise selbst, ist Hauptgegenstand einer Fortbildungsvereinbarung regelmäßig eine Rückzahlungsverpflichtung. Ein Arbeitgeber hat aufgrund der mit der Fortbildung verbundenen Kosten und des Ausfalls der Arbeitskraft des Mitarbeiters während der Fortbildungsmaßnahme ein besonders hohes Interesse daran, diese Arbeitnehmer für eine gewisse Dauer an sein Unternehmen zu binden. Nur so kann er sicherstellen, dass er von der Fortbildung des Mitarbeiters auch profitiert. In einer Rückzahlungsklausel wird daher grundsätzlich ein Zeitraum festgelegt, währenddem die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu einer Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers führen soll. Allerdings kann eine Rückzahlungsverpflichtung nicht mit einem Arbeitnehmer vereinbart werden, der sich in einer echten Berufsausbildung im Sinne eines Berufsausbildungsverhältnisses bei dem Arbeitgeber befindet. Die Aufwendungen dieser Berufsausbildung können dem Auszubildenden gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nicht auferlegt werden. Die Unabdingbarkeit dieser Norm folgt aus § 25 BBiG. Rückzahlungsklauseln sind also nur bezüglich der Kosten einer so genannten Fortbildung (auch Weiterbildung genannt) zulässig, die im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses aufgewendet werden. Dabei wird unter dem Begriff der Fortbildung eine Ausbildung verstanden, deren Ziel es ist, berufliche Kenntnisse zu erhalten, zu erweitern, technischen Entwicklungen anzupassen oder beruflich aufzusteigen. Eine Ausbildung hingegen dient regelmäßig der erstmaligen Vermittlung von Grundkenntnissen und Grundfertigkeiten.

Inhaltliche Grenzen von Rückzahlungsklauseln

Regelmäßig beruhen Rückzahlungsvereinbarungen auf vom Arbeitgeber formulierten Vertragsbedingungen und sind daher bei einer Vielzahl der Verwendung gemäß § 305 Absatz 1 BGB als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzuordnen. Da ein Arbeitnehmer als Verbraucher anzusehen ist, sind schon die wesentlichen Vorschriften der §§305 ff. BGB bei einer erstmaligen Verwendung der durch den Arbeitgeber vorformulierten Vertragsbedingungen zu beachten. Einer richterlicher Inhaltskontrolle sind Rückzahlungsvereinbarungen gemäß § 305 Absatz 1 Satz 3 BGB nur dann entzogen, wenn sie frei ausgehandelt wurden oder der Arbeitgeber den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechend seine Vertragsbedingungen ernsthaft inhaltlich zu Disposition gestellt hat. Da solche Gestaltungsspielräume des Arbeitnehmers eher den Ausnahmefall darstellen werden, unterliegen die Gestaltung von Rückzahlungsvereinbarungen in der Regel der richterlichen Inhaltskontrolle. Rückzahlungsklauseln wurden in der Rechtsprechung schon immer in den Grenzen der §§ 138, 242, 315 BGB einer Rechtskontrolle unterzogen. An der grundsätzlichen Zulässigkeit von einzelvertraglichen Vereinbarungen, nach denen ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung beteiligt werden kann, hat sich durch das Gesetz zur Schuldrechtsmodernisierung und die Einführung der Inhaltskontrolle in das Arbeitsrecht nichts geändert. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sind nunmehr auch im Rahmen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB heranzuziehen. Dabei ist nach wie vor im Kern die Zulässigkeit einer Rückzahlungsklausel an der Frage auszurichten, ob der Arbeitnehmer durch die Klausel in seiner durch das Grundgesetz in Art. 12 GG gewährten Berufsfreiheit entgegen den Geboten von Treu und Glauben eingeschränkt wird. Im Ergebnis ist also das Arbeitgeberinteresse, an der möglichst langfristigen Nutzung der vom Arbeitnehmer erworbenen Qualifikation mit dem Interesse des Arbeitnehmers durch die Ausbildung seine Arbeitsmarktchancen zu verbessern, ins Verhältnis zu setzen. Dabei ist auch die Bindungsdauer im Verhältnis zu den Aufwendungen angemessen zu berücksichtigen.Sollte das Verhältnis unausgewogen zu Lasten des Arbeitnehmers gehen, so liegt eine unangemessene Benachteiligung vor. Der Versuch einer Umgehung dieser strengen Prüfung durch den Arbeitgeber, indem beispielsweise die finanzielle Förderung in einem gesonderten „Darlehensvertrag“ geregelt oder als Vorschusszahlung bezeichnet wird, gelingt auf Grund des engen Bezuges zum Arbeitsverhältnis nicht. Insoweit ist auch zu beachten, dass die §§ 305 ff. BGB bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen missbilligen, nicht erst den unangemessenen Gebrauch einer Klausel im konkreten Einzelfall. Der Rechtsfolge der Unwirksamkeit sind daher bereits solche Klauseln unterworfen, die in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich in dem Entscheidungsfall nicht realisiert hat.Die Frage der Zulässigkeit von Rückzahlungsklauseln ist letztlich im Rahmen einer zweistufigen Angemessenheitsprüfung zu klären. Dabei ist auf erster Stufe zunächst zu untersuchen, ob der Arbeitgeber auf Grund seiner Förderung an sich ein berechtigtes Interesse an der Bindung des Arbeitnehmers hat. Nur wenn dies bejaht werden kann, ist auf einer zweiten Stufe zu prüfen, ob die Ausgestaltung der Klausel im konkreten Fall angemessen ist.

Für die Zulässigkeit einer Rückzahlungsverpflichtung bedarf es eines berechtigten Interesses an der Bindung des Arbeitnehmers. Hierfür verlangt die Rechtsprechung unverändert auch nach der Schuldrechtsreform, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Fortbildung eine „angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung“, mithin einen „geldwerten Vorteil“ erlangt hat.Diese Gegenleistung kann darin liegen, dass der Arbeitnehmer durch die Fortbildung nunmehr die Voraussetzungen einer höheren Vergütung bei seinem Arbeitgeber erfüllt oder ihm durch die Teilnahme an der Fortbildung auf dem Arbeitsmarkt neue und meist bessere berufliche Möglichkeiten eröffnet werden. Der Arbeitnehmer muss seine neu erworbenen Kenntnisse also auch außerhalb des aktuellen Arbeitsverhältnisses nutzen können. Ist die Fortbildung hingegen lediglich innerbetrieblich von Vorteil oder dient sie nur der Auffrischung bereits vorhandener Kenntnisse, so scheidet eine Kostenbeteiligung seitens des Arbeitnehmers aus. In diesem Fall liegt die Fortbildung überwiegend im Eigeninteresse des Arbeitgebers, womit es an einen geldwerten Vorteil für den Arbeitnehmer fehlt. Bei reinen Vertiefungslehrgängen wird es ebenfalls regelmäßig an einem solchen Vorteil für den Mitarbeiter fehlen. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil durch die Fortbildungsmaßnahme erlangt hat. Da es sich bei der Frage, ob die Fortbildung dem Arbeitnehmer einen Vorteil bringt, im Zeitpunkt der Vereinbarung der Klausel um eine Zukunftsprognose handelt, greift für den Arbeitgeber jedoch eine Beweiserleichterung.So reicht es nach Ansicht des BAG aus, wenn der Arbeitgeber Umstände darlegt bzw. beweist, aus denen folgt, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der Rückzahlungsvereinbarung „ein beruflicher Vorteil für den Arbeitnehmer mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte“.Dann obliegt es dem Arbeitnehmer, Umstände darzulegen und zu beweisen, die dieses Wahrscheinlichkeitsurteil entkräften.

Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers

Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren.

Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Zu prüfen ist, ob die Vereinbarung bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine zur Unwirksamkeit der Klausel führende unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Klausel nicht klar und verständlich ist. Die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen müssen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klausel hat im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners so eindeutig und so verständlich wie möglich darzustellen. Die Gründe, die die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Rückzahlung auslösen, müssen ebenso wie die Höhe der Rückzahlungsverpflichtung eindeutig benannt werden. Hier wird man die Rechtsprechung des BAG zum Widerruf von Leistungen heranziehen können, in dem das BAG fordert, dass mindestens die Richtung, aus der sich die Rückzahlungsverpflichtung ergibt, erkennbar ist.Nur wenn für den Arbeitnehmer aus der Vereinbarung klar ersichtlich ist, in welchen Fällen ihn eine Rückzahlungspflicht trifft, genügt sie den Anforderungen der Transparenz. Die Rückzahlungsvereinbarung wird auch nicht Vertragsbestandteil, wenn sie für den Arbeitnehmer überraschend war (§ 305 c Absatz 1 BGB), was insbesondere dann der Fall ist, wenn sie im Hinblick auf das äußere Erscheinungsbild ungewöhnlich ist und der Vertragspartner nicht mit ihr rechnen brauchte.

Grund der Rückforderung

Eine Rückzahlungspflichtung beeinträchtigt den Arbeitnehmer unangemessen, wenn in der Rückzahlungsklausel nicht nach dem Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterschieden wird. So können nur Beendigungsgründe, die ausschließlich aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammen, zur Begründung der Rückzahlungspflicht herangezogen werden. Wird der Arbeitnehmer für den Fall der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zur Rückzahlung verpflichtet, muss also in der Fortbildungsvereinbarung danach differenziert werden, ob der Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus der Sphäre des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers herrührt. Ist der Arbeitnehmer generell zur Rückzahlung anteiliger Fortbildungskosten verpflichtet, so ist eine solche Klausel schon allein deswegen unwirksam, weil sie dem Arbeitnehmer jegliche Möglichkeit nimmt, auf die Rückzahlungspflicht Einfluss zu nehmen. Eine Rückzahlungsklausel stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen.Verluste auf Grund von Investitionen, die nachträglich wertlos werden, hat grundsätzlich der Arbeitgeber zu tragen. Hätte der betriebstreue Arbeitnehmer die in seine Fortbildung investierten Betriebsausgaben auch dann zu erstatten, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind, würde er unzulässig mit den Kosten einer fehlgeschlagenen Investition seines Arbeitgebers belastet.Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer völlig im Unklaren darüber gelassen wird, ob er nach erfolgreichem Abschluss seiner Fortbildung bzw. auch zu welchen Arbeitsbedingungen er vom Arbeitgeber beschäftigt wird. Soweit der Arbeitgeber es völlig offen lässt, wie und ob er dem Arbeitnehmer nach Abschluss der Fortbildung beschäftigen wird, entfällt die sachliche Grundlage für eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers, da dieser der Rückzahlungspflicht nicht ausschließlich durch Betriebstreue entgehen kann. Die Gründe, die die Rückzahlungsverpflichtung auslösen, müssen klar und eindeutig festgelegt werden. Eine geltungserhaltende Reduktion der zu weit oder zu unbestimmt gefassten Klausel scheidet aus. Auch eine ergänzende Auslegung der Rückzahlungsklausel dahingehend, dass eine Rückzahlungsverpflichtung auf eine dem Arbeitnehmer zurechenbare Vertragsbeendigung beschränkt, würde dem Arbeitgeber das Risiko der unzulässig zu weit gefassten Klausel vollständig nehmen und eine Vertragshilfe allein zu seinen Gunsten darstellen. Der Arbeitgeber hat es vielmehr selbst in der Hand, sich gegen dieses Risiko der Unwirksamkeit der Rückzahlungsverpflichtung durch eine einschränkende Fassung der Rückzahlungsklausel abzusichern.

Klar ist insoweit, dass der Arbeitnehmer nicht mit einer Rückzahlungspflicht belastet werden darf, wenn der Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen kündigt. In diesem Fall ist die sachliche Grundlage für die Kostenbeteiligung entfallen, da der Arbeitgeber durch die Kündigung klar zu Ausdruck bringt, dass er trotz der von ihm übernommenen Kosten der Fortbildung die Qualifikation im Betrieb nicht halten will oder kann In einer Rückzahlungsklausel kann allerdings wirksam vereinbart werden, dass eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers eine Rückzahlungsverpflichtung auslöst, wenn diese nicht auf ein vertragsbrüchiges Verhalten seitens des Arbeitgebers zurückzuführen ist. Beruht hingegen die Kündigung auf einem Fehlverhalten des Arbeitgebers oder ist das Fehlverhalten dem Arbeitgeber zuzurechnen, scheidet eine Rückzahlungsverpflichtung aus.Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Arbeitgeber seinen vertraglichen Pflichten trotz Abmahnung durch den Arbeitnehmer nicht nachkommt und somit letztlich selbst die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer verschuldet.

Eine Rückzahlungspflicht, die an eine ordentliche oder außerordentliche arbeitgeberseitige Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen geknüpft wird, kann ebenfalls wirksam vereinbart werden. Beweispflichtig für das vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers ist im Streitfall aber der Arbeitgeber. Eine Kündigung aus personenbedingten Gründe, weil der Arbeitnehmer trotz seiner durch die Fortbildungsmaßnahme erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht den subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers hinsichtlich weiterer Einsatzmöglichkeiten entspricht, kann entgegen nicht wirksam eine Rückzahlungspflicht begründen. Die in diesem Fall angefallenen Kosten sind dem unternehmerischen Risiko- und Verantwortungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen. Denn sein Auswahlrisiko kann der Arbeitgeber gerade nicht auf den Arbeitnehmer übertragen. Generell wird man wohl eine wirksame Rückzahlungsverpflichtung bei einer Kündigung des Arbeitgebers aus personenbedingten Gründen ausschließen müssen, da der die Kündigung auslösende Grund in der Regel nicht dem Arbeitnehmer zuzurechnen ist.

Art und Höhe der erstattungsfähigen Fortbildungskosten

Die Art der Förderung, dass heißt der Förderbeitrag des Arbeitgebers, kann unterschiedlich sein. Zum einen ist eine finanzielle Förderung durch die Übernahme der Fortbildungskosten und /oder eine bezahlte Freistellung möglich, zum anderen auch lediglich eine unentgeltliche Freistellung von der Arbeitspflicht während der Zeit der Fortbildungsmaßnahme. Wird der Arbeitnehmer während der Fortbildung unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freigestellt, so kann in der Rückzahlungsklausel vereinbart werden, dass nicht nur die Fortbildungskosten an sich, sondern auch das für die Zeit der Freistellung gezahlte Entgelt zurückzuerstatten ist.Denn zu den entstandenen Kosten zählt auch das gezahlte Entgelt im Rahmen der Freistellung. Jedoch kann der Arbeitgeber nicht die im Rahmen der Vergütungszahlung abgeführten Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zurückfordern, da diese nicht erstattungspflichtig sind. Allerdings ist der Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung voll rückzahlungspflichtig, d.h. der Arbeitgeber kann den hälftigen Anteil der Sozialversicherungsbeiträge neben den Steuerabzügen und den Nettobezügen zurückfordern. Generell gilt aber, dass der Arbeitgeber durch die Rückzahlungen des Arbeitnehmers keinen finanziellen Vorteil erlangen darf. Eine Rückzahlungsverpflichtung kann maximal in Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten vereinbart werden. Andernfalls würde es sich nicht mehr nur um die Rückzahlung von Ausbildungskosten, sondern um eine unzulässige Vertragsstrafe handeln.Daher kommt eine Verzinsung ebenfalls nicht in Betracht. Auch in den Fällen, in denen die Fortbildung öffentlich gefördert wird und Teile der Kosten dem Arbeitgeber erstattet werden, darf sich die Rückzahlungsverpflichtung nur auf die tatsächlich dem Arbeitgeber entstandenen Kosten beziehen.

Eine Rückzahlungsklausel ist nur zulässig, wenn die Vorteile der Fortbildungsmaßnahme und die Dauer der Bindung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

Maßgeblich für die Prüfung ist dabei nach der Rechtsprechung in erster Linie die Dauer der Fortbildungsmaßnahme. Erst dann soll eine Adjustierung einer noch zulässigen Bindungsdauer nach den aufgewendeten Mitteln durch den Arbeitgeber und schließlich auch noch einmal durch die Frage des Vorteils für den Arbeitnehmer durch die Fortbildung erfolgen. Das BAG folgt dabei dem Gedanken, durch klare Richtwerte für den Verwender in gewissem Rahmen Rechtssicherheit zu schaffen, betont aber gleichzeitig, dass es sich bei den von ihm vorgegebenen zulässigen Bindungsdauern um keine rechnerischen Gesetzmäßigkeiten, sondern Regelwerte handelt, von denen abgewichen werden kann. Im Ergebnis behält das BAG damit auch nach neuster Rechtsprechung sich und den Instanzgerichten vor, eine Interessenabwägung im Einzelfall durchzuführen und gegebenenfalls zu einer veränderten zulässigen Bindungsdauer zu gelangen. In deren Rahmen sind dann einzelfallbezogen die Vorteile der Fortbildungsmaßnahme mit den Nachteilen der Bindungsdauer gegeneinander abzuwägen.Die Rechtsprechung hat auf dieser Grundlage Bindungsfristen entwickelt, deren Grundlage die Annahme ist, dass die Dauer der Fortbildung ein starkes Indiz für die Qualität der erworbenen Qualifikation ist. Das gesetzliche Bindungshöchstmaß ergibt sich dabei aus § 624 BGB und beträgt fünf Jahre. Das BAG hält dabei folgende Bindungsdauern bei einer bezahlten Freistellung während der Fortbildungsmaßnahme im Verhältnis zur Dauer der Fortbildungsmaßnahme für zulässig.

Fortbildungsdauer in Monaten Bindungsdauer in Monaten
bis zu 1 bis 6
bis zu 2 bis 12
3-4 bis 24
6-12 bis 36
24 und mehr Maximal 60

Eine zu lange Bindungsdauer von Rückzahlungspflichten der durch den Arbeitgeber getragenen Fortbildungskosten ist unwirksam

Rückzahlung von Fortbildungskosten.pdf

Auf dem schwierigen Arbeitsmarkt ist es für die Karriere eines Arbeitnehmers unerlässlich sich permanent fortzubilden. Die deutschen Arbeitnehmer müssen sich der Internationalisierung der Märkte stellen und sich der weltweiten Konkurrenz von Arbeitnehmern durch einen Know-How Vorsprung behaupten. Insoweit verwundert es nicht, dass gerade in den letzten Jahren ein gesteigertes Interesse an hochwertigen Fortbildungen besteht. Dies zeigt nicht zuletzt die boomende Branche der Master und MBA Programme weltweit. Viele Unternehmen unterstützen den Fortbildungswunsch der Mitarbeiter durch die Freistellung von der Arbeit und sogar durch Übernahme der Fortbildungskosten. Insoweit ist verständlich, dass sich die Arbeitgeber in Fortbildungsvereinbarungen die Rückzahlung der übernommen Fortbildungskosten für eine gewisse Dauer vorbehalten, um von der Fortbildung des Arbeitnehmers profitieren zu können. Wenn der Mitarbeiter nach Abschluss einer Fortbildung dem Arbeitgeber den Rücken kehrt und seinen gesteigerten Marktwert bei einem anderen Unternehmen erfolgreich anbringen konnte, verlangt der Arbeitgeber die entstandenen Kosten nicht selten unter Berufung auf solch eine Fortbildungsvereinbarung zurück. Auch wenn die Fortbildungsvereinbarung auf den ersten Blick recht und billig erscheint, liegt hier wie immer in der Juristerei der Teufel im Detail. So hatte das Bundesarbeitsgericht am 14.01.2009 (Az: 3 AZR 900/07) über einen Fall zu entscheiden, in der sich der Arbeitnehmer zur Rückzahlung der Fortbildungskosten für die Dauer von fünf Jahren verpflichtet hatte. Das höchste deutsche Arbeitsgericht hielt eine solch lange Bindungsdauer im Verhältnis zur Ausbildungsdauer von 3 Monaten für unzulässig und wies die Klage des Arbeitgebers zurück. Bei werthaltigen Fortbildungen sei es zwar üblich, dass der Arbeitgeber den Mitarbeiter für eine gewisse Dauer an sein Unternehmen durch eine Rückzahlungsverpflichtung binden möchte. Eine überlange Bindungsdauer der Rückzahlungsverpflichtung hindert einen Arbeitnehmer aber in unzulässiger Weise an seinem Kündigungsrecht und greift damit unzulässiger Weise und seine Berufsfreiheit ein. Der Arbeitnehmer musste trotz seiner Kündigung weniger als zwei Jahren nach Abschluss seiner Fortbildung keinen Euro zurückzahlen, da eine zu lange Bindungsdauer grundsätzlich zur Unwirksamkeit der gesamten Rückzahlungsklausel führt. Ein Rückzahlungsanspruch besteht dann auch nicht für eine (gerade) noch zulässige Bindungsdauer. Es gilt grob gesagt für den Arbeitgeber das „Alles oder Nichts-Prinzip“. Missachtet der Arbeitgeber die rechtlichen Grenzen einer Rückzahlungsklausel, kann er auch nicht den möglicherweise noch zulässigen Anteil verlangen, sondern der Arbeitnehmer kann sich jederzeit ohne jegliche Rückzahlungsverpflichtung vom Arbeitgeber trennen. Neben einer zeitlichen Befristung muss eine Rückzahlungsverpflichtung noch weitere Anforderungen einhalten, deren Nichtbeachtung zum gleichen Ergebnis führen. Eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers in Form einer Rückzahlungsklausel ist nur möglich, wenn die Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für den Arbeitnehmer einen Wert hat und er die erworbenen Kenntnisse auch außerhalb seiner Arbeitsstelle beim Arbeitgeber nutzen kann. Eine weitere wichtige durch den Arbeitgeber häufig nicht ausreichend beachte Voraussetzung ist, dass die Vertragsklauseln die Pflichten des Arbeitnehmers klar und eindeutig wiedergeben. Bestehen Zweifel über den Inhalt der Vereinbarung, gehen diese zu Lasten des Arbeitgebers. Bei der Bestimmung der zulässigen Bindungsdauer ist im Rahmen bestimmter von der Rechtsprechung entwickelter Richtwerte auch regelmäßig eine Staffelung der Rückzahlungsverpflichtung vorzusehen, um nicht der Gefahr einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers ausgesetzt zu sein. Die Höhe der Rückzahlungsverpflichtung muss sich entsprechend der Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers beim Arbeitgeber nach Abschluss der Fortbildung reduzieren. Insoweit sollte man sich nicht vorschnell seinem Schicksal fügen und seine Fortbildungsvereinbarung rechtlich überprüfen lassen. Sollte dennoch eine Rückzahlungsverpflichtung bestehen, tröstet zumindest die regelmäßig begründbare steuerliche Absetzbarkeit der zu leistenden Zahlungen als Werbekosten.

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